Hai Van Pass, Vietnam. A taste of Easy Rider Freedom.

Schon in Saigon hat man die ersten Reisenden mit ihren klapperigen alten Motorrädern gesehen. In Dalat sind mir die ersten „Easy Rider“ Angebote aufgefallen, anstatt mit dem Bus zu fahren, fährt man als Sozius mit einem Local zum nächsten Ort. Rose und Becky sind einen Tag zuvor mit zwei älteren Herren so nach Hue gefahren. Vietnam mit dem Motorrad durchzufahren war mir vorher nie in den Sinn gekommen, schien aber inzwischen ein absolutes Muss zu sein. 

Um jetzt völlig von Bus auf Motorrad umzusteigen, fehlte mir aber die Zeit. Damit ich aber wenigstens mal ein Gespür davor bekomme, wollte ich unbedingt eine Teilstrecke fahren. Ideal eignet sich dafür der Wolkenpass oder Hai Van Pass von Hoi An nach Hue – knappe 200 Kilometer. Anscheinend auch bekannt aus Top Gear. Alleine hätte ich mich wahrscheinlich nicht getraut, so war ich sehr happy, dass ich mich Felix und Julian aus Ravensburg anschließen konnte. 

Die Travel Agency, bei der wir die Motorräder ausgeliehen haben, hat unsere Rucksäcke nach Hue geschickt und somit mussten wir uns nur darum kümmern, heile überzukommen und uns möglichst wenig zu verfahren. Alleine der Stadtverkehr in Hoi An war schon recht interessant und ich hab es nicht bereut eine automatische Maschine genommen zu haben. Erste Regel: man kann niemals zu viel hupen. Hupen ist hier auch weniger ein „aus dem Weg, du Idiot“ sondern mehr ein „Achtung, hier komm ich“. 

Sobald man Hoi An hinter sich gelassen hat, werden die Straßen breit und zweispurig. Man muss nicht mehr den Rollern ausweichen, die riesige Tet-Kumquatbäume auf Holzbrettern hinten drauf balancieren oder darauf gefasst sein, dass man von einem Roller mit drei Personen plus diverse Pflanzen überholt wird. Entgegen aller Warnungen wegen Tet, waren die Straßen hier fast leer und es hat einfach irre Spaß gemacht, auch mal Gas geben zu können. Wind in den Haaren, die Gopro Kamera griffbereit. Hinter uns aufregende Tage, vor uns Abendteuer.

Unterwegs haben wir bei den Marble Mountains angehalten, wie aus dem Nichts tauchen irgendwann diese Berge auf, drum herum einige Shops die von kleinen Marmorelefanten bis überlebensgroßen Marmorlöwen alles verkaufen. Die Berge selber werden auch spirituell genutzt, oben gibt es verschiedene Tempelanlagen, Höhlen und auf der einen Seite die Aussicht auf den Strand. Auf der anderen Seite kann man schon die ersten Hochhäuser von Danang sehen.

Danang ist die fünftgrößte Stadt in Vietnam, sieht ein bisschen aus wie Nha Trang und liegt eben auch am Meer. Auf der Straße nach Danang sind uns fast ein paar aufgeschreckte Kühe in die Motorräder reingelaufen, nachdem der Schock überwunden war haben wir am Strand von Danang eine weiter Pause gemacht und zugeschaut wie dort ein mittelprächtiger Baywatch Abklatsch gedreht wurde. 

Danach lag dann nur noch der Hai Van Pass vor uns. Wir wollten vorher noch eine Kleinigkeit essen, wollen in dem Dorf nach Danang drehen und müssen feststellen, dass Julian einen platten Reifen hat. Glücklicherweise standen wir grade ausgerechnet vor einer Werkstatt. Dort sprach zwar niemand Englisch, die haben aber auch so verstanden was wir wollten. Neben dem Mechaniker, war wie üblich, die ganze Familie in der Werkstatt und saß grad beim essen. Wenn man sich auf irgendwas in Asien verlassen kann, ist es, dass es immer was zu essen gibt irgendwo. 

Wir haben uns also hingesetzt und vorsichtig gefragt ob wir vielleicht essen bestellen können bei denen. Die Großmutter hat uns Instantnudelsuppe aufgetischt, wir haben etwas irritiert angefangen zu essen und dann gings erst los. Einer der Herren kam ständig rüber, hat Seafood, gebratenes Schwein, Frühlingsrollen, undefinierbares anderes Fleisch vorbeigebracht und war sehr erpicht darauf dass wir auch wirklich alles probieren und aufessen. Die Kinder haben uns argwöhnisch beobachtet und unter dem Tisch der Erwachsenen türmten sich die leeren Bierdosen.

Da ist uns aufgefallen, so kurz vor Tet ist es wahrscheinlich ein großes Familienessen, dass wir grade gecrashed haben. Quasi so, als würde bei uns zuhause jemand klingeln während wir grad beim Abendessen einen Tag vor Heiligabend sitzen, fragen ob wir denen mal kurz das Auto reparieren könnten und ob man auch was vom Sonntagsbraten abhaben könne. Uns war das dann furchtbar unangenehm und wir waren etwas überfordert mit der Mischung aus Gastfreundschaft und Unverständnis. Und konnten nur hoffen, dass wir grade nicht unter anderen Hund gegessen haben. 

Der Reifen wurde schnell mit einen Fahrradflicken wieder repariert und wir sind wieder aufgebrochen. Der Pass wird auch Wolkenpass genannt, weil die Straße teilweise komplett wolkenverhangen sind und ist wirklich wunderschön. Wir hatten etwas Unglück mit dem Wetter und so war der Wolkenpass sehr wolkig, aber die Aussicht auf das Meer, während sich die Straße hochschlängelt ist atemberaubend. Die paar LKWs unterwegs habe ich in einer Mischung aus Spaß und Panik überholt und musste mir von den Jungs nacher dumme Sprüche anhören, dass ich immer noch zu zögerlich gefahren bin. Natürlich überholt man immer mit Hupe, an den Kuhherden sind wir vorsichtig vorbeigefahren und andere entgegenkommende Biker haben wir freundlich gegrüßt. Definitiv die richtige Entscheidung diesen Teil mit den Motorrädern zu fahren.

Nach dem Pass haben wir nochmal für Vietnamesischen Kaffee angehalten. Anfangs war ich sehr skeptisch dem Kaffee gegenüber, jetzt könnte ich darin baden. Starker Kaffe, der direkt über der Tasse aufgegossen wird und sich mit der pappsüßen Kondensmilch langsam vermischt schmeckt einfach göttlich. 

Der letzte Teil der Strecke ist dann hauptsächlich gradeaus durch kleine Örtchen, die nur aus der Straße bestehen auf der wir fahren, dazwischen Reisfelder. Inzwischen waren wir den einzigen Ausländer unterwegs in dem verrückten vietnamesischen Verkehr und hatten langsam Sorge, dass wir es nicht mehr pünktlich in Hue angekommen. Das hätte im schlimmsten Fall geheißen, dass wir unsere Rucksäcke erst nach Tet wiederbekommen hätten. So haben wir die letzt Attraktion – Elefant Springs – ausgelassen und sind durchgefahren. 

Kurz bevor wir die Bikes abgeben mussten, haben wir es sicher bis nach Hue geschafft, den Stadtverkehr und den riesigen Kreisel überlebt und unsere Rucksäcke wieder gegen die Motorräder eingetauscht. Falls ich es nochmal zurück nach Vietnam schaffe, werde ich mir auch ein klapperiges Motorrad kaufen und komplett durchfahren, jetzt hab ich Blut geleckt. 

Februar 2015.

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