Hue war mal die Hauptstadt vom Kaiserreich Vietnam, bis 1945 die Regierung ins Exil floh. Übrig ist davon noch die „imperial citardel“, die Kaiserstadt und somit ehemaliger Wohnsitz der Kaiser. Die Zitadelle gehört inzwischen zum UNESCO Welterbe und ähnlich aufgebaut ist wie die verbotene Stadt in Peking. Das Gelände wurde allerdings weitestgehend zerbombt, zuerst von den Franzosen und später dann im Vietnamkrieg. Vor der Stadt liegen außerdem noch die Gräber der Kaiser, ansonsten scheint Hue eine durchschnittliche vietnamesische Stadt zu sein – wäre da nicht Tet. Hätte ich gewusst, dass mich dieses Fest so auf Trab hält, wäre ich vielleicht erst nach Laos gefahren und dann nach Vietnam.
Die zwei Jungs und ich haben jeweils in unsere Hostels eingecheckt, nachdem ich auf dem Weg dahin tausend Tode gestorben bin. Ich saß wieder hinten drauf auf dem Motorradtaxi aber mein Rucksack war nicht wie sonst vorne beim Fahrer, sondern auf meinem Rücken. 16 Kilo, die einen nach hinten ziehen im stop and go Stadtverkehr machen keinen Spaß! Die Straßen waren brechend voll, auf dem Weg zum Abendessen musste ich über Berge von Klamotten steigen, die Shops hatten alles auf den Gehsteig gelegt und die Leute haben dadrin nach Schnäppchen gesucht. Anscheinend ist es wichtig so kurz vor dem neuen Jahr noch ein gutes Geschäft zu machen.
Der Abend vor Tet ist vergleichbar mit unserem Silvester – die Bars waren brechend voll, auf den Straßen kriegt man keinen Fuß an den Boden, die Roller-Parkplätze laufen über. Familien mit Kindern und betrunkene Teenager schieben sich durch die Straßen. Wir Drei haben uns das Treiben aus einem der Straßencafe am Fluss aus angeschaut und dann beschlossen uns die volle Dröhnung zu geben und noch in einen Vietnamesischen Club zu gehen.
In dem Laden waren wir die einzigen Westler und genauso wie wir die feiernden Vietnamesen beobachtet haben, genauso belustigt haben die uns beobachtet. Faszinierendeweise bestand die Musik die ganze Zeit aus einem einzigen Beat, auf den dann die ganze Zeit verschiedene Lieder gelegt wurde. Und den die Leute ziemlich abgefeiert haben. Ich glaube, wenn ich hingegen diesen Beat noch einmal in meinem Leben hören muss, bluten mir die Ohren. Um zwölf Uhr gabs am Fluss noch wie bei uns ein Feuerwerk, danach leerte sich der Club und das vietnamesische Jahr hat offiziell begonnen.
Waren die Straßen am Abend noch kaum passierbar, so war die Stadt am nächsten Tag eine Geisterstadt. Ich glaube, ich hab noch nie eine asiatische Stadt so ausgestorben gesehen. In der Hoffnung, dass die Zitardelle geöffnet wäre bin ich durch die Straßen getigert, immer auf der Hut vor hupenden Rollern – aber nichts. Auch kein Cafe oder Kiosk offen um zu frühstücken, es ist Tet und Vietnam steht einmal still. Vielleicht hatte der Reiseführer doch recht und es lohnt sich das Land auch zu dieser besonderen Zeit zu bereisen.
Die Zitardelle war geöffnet, touristische Bedürfnisse müssen ja trotzdem befriedigt werden. Wobei anscheinend auch viele vietnamesische Familien dort hin ihren Feiertagsausflug in bester Sonntagskleidung gemacht haben. Von den Gebäuden ist kaum noch etwas übrig, man läuft oftmals über ein paar Steine oder Wiese und auf dem Schild daneben steht was man hier hätte sehen können, wenn es nicht weggebombt worden wäre. Durchaus interessant aber nicht atemberaubend.
Nachmittags bin ich noch mit dem Fahrrad durch die Stadt, vorbei an geschlossenen Läden, verrammelten Türen und Kindern die „Happy New Year“ rufen. Zum Abendessen hab ich die zwei Jungs wieder getroffen, außerdem zufällig auch wieder Owen und Shervon sowie John und Jenny. Wie in fast jeden Ort hat auch das „Central Backpackers“ in Hue ein Hostel und selbst wenn man nicht dort schläft, trifft man hier immer wieder die gleichen Leute. An dem Abend waren wir wieder in einer vietnamesischen Bar/Club aber viel entspannter, nicht so aufgetakelt, teuer und Möchtegern-Posh wie gestern, sondern mit nem Billiardtisch und vollgekritzelten Wänden. Außerdem waren da nicht nur ausschließlich Vietnamesen sondern auch ein paar Backpacker. Und darüber hinaus mit vernünftiger Musik, nach dem – nennen wir es – interessanten Erlebnis gestern, hat mich das dem vietnamesischen Nachtleben wieder etwas versöhnlicher gestimmt. Abspacken mit den Vietnamesen ging da auch ganz gut. Die Bar ist „Open until the last one Passes out“, ganz so lange haben wir nicht gemacht aber so lange, dass ich es am nächsten morgen bereut habe um 6:00 aufstehen zu müssen um weiterzufahren.
Februar 2015.
