Der Nachtbus hat uns in Pakse ausgespuckt. Dort wurden wir in einen weiteren Bus verladen und dann zum Mekong gefahren. Die Fahrt vom Festland nach Don Det – ein Inselchen mitten im Mekong war dann in einem nussschalengroßen Boot. Hier wurde um jedes Gramm gefeilscht und hätte sich jemand auch nur einen Millimeter bewegt, wären wir wohl gekentert.
Von den Erzählungen anderer Reisender soll Don Det ein bisschen sein wie Vang Vieng – tolle Natur, entspannte Atmosphäre und viele Backpacker mit entsprechender Feierfreudigkeit. Don Det ist allerdings buchstäblich der Arsch der Welt. Ein schöner Arsch der Welt aber so ruhig, dass nur noch die wehenden Heuballen fehlen. Das Inselchen besteht aus einem „Hafen“ bzw. dem Ort wo die Nussschalen anlegen und dann einem Ost- und einem Weststrand. Die „Innenstadt“ hat drei Straßen und ist in 10 Minuten abgelaufen. Große Hostels oder überhaupt Häuser mit mehr als zwei Etagen sucht man dementsprechend vergeblich. Eigentlich gibt es nur Bungalows, die auf Stelzen über dem Mekong thronen.
Da ich ja nun alleine unterwegs war und zu knickerig um einen Bungalow für zwei zu bezahlen, habe ich mir ein Einzelzimmer genommen. Das erste Einzelzimmer in drei Monaten. Ein Bad ganz für mich alleine. Erst hab ich mich wahnsinnig drüber gefreut, dann fühlte sich das nur noch komisch und falsch an. Ich bin es wirklich einfach nicht mehr gewöhnt alleine zu schlafen. Und ich hab die irgendwie beruhigende Geschäftigkeit eines Hostels vermisst.
Viel zu erkunden gibt es nicht in Don Det, das wenige ist schnell mit dem Fahrrad – einziges Fortbewegungsmittel – abgegrast. Auf holprigen Wegen direkt am Wasser schunkelt man bei brüllender Hitze durch das Örtchen. Plötzlich höre ich hinter mir schallendes Gelächter von kleinen Mädchen in Schuluniform, mit einem Affenzahn sausen die drei Kinder an mir vorbei. Winken und kichern und bleiben dann stehen, ich hole auf und bleibe bei ihnen stehen. Schüchtern zeigen die Drei mir, was sie in den Händen versteckt haben: Zikaden. Die Insekten bestimmen die Geräuschkulisse dieses Ortes, ohrenbetäubend summen sie um die Wette. Die Mädchen halten sie an den Flügeln und machen sich einen Spaß draus, dass die kleinen Viecher nicht entkommen können. Die größte der Drei will wir eine Zikade übergeben, ich schrecke zurück, das Insekt entkommt und die drei brechen wieder in schallendes Gelächter aus, schwingen sich auf die Räder und verschwinden in einer Staubwolke.
Laos scheint bisher das Land zu sein, in dem man am einfachsten in das Leben der Locals einblicken kann. Unaufgeregt und offen und nie aufdringlich geben sich die Leute hier. Ich radle der Staubwolke der Mädchen hinterher und komme in ein noch kleineres Örtchen. In einer größeren Hütte scheint die Schule zu sein, drum herum ein paar kleinere Hütten, vor denen die Alten sitzen. Man wird zwar beobachtet, aber dann als Teil der Landschaft akzeptiert. Niemand will einem etwas verkaufen oder Fotos mit einem machen.
Weiter raus finden sich wieder ein paar Bungalow Hostels und der skurrilste Fund ist ein Pool, himmelblau im goldgelben und staubigem Acker. Während im Mekong Kinder mit den Rindern planschen liegen Touristen auf Liegen um einen polierten Pool. Eintritt muss man hier auch zahlen, ich radel lieber weiter.
Don Det bringt mich irgendwie auf den Teppich. Es ist nicht so zauberhaft, wie es die anderen beschrieben haben, aber es erdet und gibt Raum für neue Pläne. Ich skypen zum ersten Mal seit langem wieder mit meinen Eltern, ich sitze den halben Tag im Cafe und schreibe. Und mache endlich Pläne. Beschäftige mich mit dem Visa für Myanmar und beschließe noch mal zurück nach Vang Vieng zu fahren, bevor ich Luc in Bangkok treffe um gemeinsam nach Myanmar zu fliegen. Die Abende hier sind sehr ruhig, es gibt eine Bar mit Billiard Tisch, Karten spiele und einer aufgedrehter Barfrau. Wenn die Bar schließt, wird spontan ein Lagerfeuer am Strand entfacht und alle dreißig Backpacker, die sich aktuell hier befinden, sitzen drum herum.
Mit Aaron & Franz bin ich an einem Tag mit einem privaten Guide zum Tat Somphamit Wasserfall gefahren. Man hätte auch vorher eine Kayak-Tour machen können, aber wir waren zu faul. Vor dem Wasserfall sind wir allerdings zumindest mit einem Nussschalen Boot über den Mekong gefahren, um die Süßwasserdelfine zu sehen. Zugegebenermaßen von den Delfinen sieht man nicht mehr als den Luftausstoß und kurze Unterwasserbewegungen. Auf eine Mini-Insel im Mekong haben wir angelegt und vorher gelernt, dass man hier nicht willkürlich anhalten darf. Sonst betritt man illegal Kambodscha und so wie unser Kapitän „Don’t jump, this is cambodian area“ geschrien hat, möchte man das nicht tun. Der Wasserfall ist – wie die meisten Wasserfälle – beeindruckend und da wir erst spät da angekommen sind, hatten wir das Gelände fast für uns.
Ich war froh nach Don Det gekommen zu sein, aber nach drei Tagen auch froh wieder zurück zur Zivilisation zu kehren. Am Abreisetag bin ich für den Sonnenaufgang aufstanden und zum aufwachen in den Mekong gesprungen. Wie immer finde ich die frühen Morgenstunden in einem Ort am spannendsten. Das Licht, das Lächeln und die Luft ist anders – magisch und einzigartig. Sobald der Tag dann anbricht ist alles verfloge.
Gemeinsam mit den zwei Jungs habe ich dann den weiten Weg zurück nach Vang Vieng gemacht. Rauf ins überfüllte Nussschalenboot zur Hafen-„Stadt“, dort in den Bus nach Pakse. Dann fünf Stunden Aufenthalt in Pakse; war Don Det allgemein schon eher untouristisch, setzt Pakse dem ganzen noch die Krone auf. Wir haben uns einen Roller gemietet um die Zeit optimal zu nutzen. Wir waren wohl die einzigen Ausländer auf der Straße, aber immerhin konnte man hier günstig Speicherkarten kaufen und im großen Supermarkt waren wir das Highlight. Nachdem die Jungs erzählt haben, ich wäre ein europäischer Promi wollten alle Angestellten ein Foto mit mir machen. Die Nacht habe ich dann wie so oft schon in Laos mal wieder in einem Nachtbus verbracht. Dieses Mal hatte ich sogar ein Doppelbett für mich allein. Man erfreut sich ja an den kleinen Dingen…
März 2015.
