Yangon, Myanmar. Eine andere Welt.

Wahrscheinlich wäre ich wieder auf Koh Tao versackt, hätte nicht Luc seit einigen Tagen in Bangkok auf mich gewartet. Seine Begeisterung für Bangkok ist ähnlich groß wie meine und so war ich umso dankbarer, dass er dort auch nachdem er sein Visum hatte weiter ausgeharrt hat – während ich am Strand lag.

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Die Idee zusammen nach Myanmar zu reisen ist irgendwo zwischen dem Boot in der Halong Bay und meinem Geburtstag in Hanoi entstanden. Ich muss gestehen, dass ich nach meiner anfänglichen Euphorie etwas unsicher war, wie es wohl werden sollte ein Land komplett zu zweit zu erkunden. Grundsätzlich wollte ich Myanmar nicht unbedingt alleine bereisen, auch weil das Reisen hier nicht ganz so einfach, günstig und selbsterklärend sei. Backpacker sollten eher die Seltenheit sein, primär werden organisierte Busreisen durchgeführt. Bei meinen anderen Reisefreunden hat sich das zusammen reisen einfach so ergeben, man ist spontan ins gleiche Hostel oder hat sich übermorgen in den nächsten Ort getroffen. Jetzt sollte das aber bedeuten, dass wir jeden Tag zu zweit verbringen und uns eigentlich gar nicht kennen.

Luc und ich haben uns im Morgengrauen auf einer Seitenstraße der Khao San Road in Bangkok getroffen und sind mit einem anderen Deutschen, den ich im Nachtbus aus Bangkok kennengelernt hatte zum Flughafen gefahren. Nach Myanmar kann man aktuell nur auf dem Luftweg einreisen, also bin ich in den Genuss meines ersten Fluges auf dieser Reise gekommen. Die Einreise am Flughafen war mit dem Online-Visa überraschend simpel, auch Geld abholen hat problemlos geklappt (und ja, es stimmt – am besten nicht die lokale Währung holen sondern schöne, brandneue Dollar! Damit kommt man, während wir da waren, als Tourist viel weiter.)

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Müde und völlig erschlagen von der Hitze sind wir in ein Taxi gestiegen und haben uns zum Hostel fahren lassen. Unser Fahrer war sofort sehr interessiert an uns und hat direkt eine kleine Stadtführung gegeben. Der erste Kommentar, als Luc erzählt hat, dass er aus Holland kommt, war „aaahhh…. Robin van Persie“. Und dieser Spruch sollte uns die nächste Zeit begleiten. Zuerst meint man vielleicht die Burmesen kennen die Niederlande wirklich, tatsächlich ist es aber so dass sie den Fußballspieler nur kennen, weil dieser in der League spielt, welche auch hier übertragen wird. Wir hatten kein Hostel vorab gebucht, sondern haben uns in eine Straße fahren lassen, in dem mehrere sein sollten. Wir haben uns letztendlich für ein recht moderneres Hostel entschieden, uns gegen einen komatösen Schlaf gewehrt und sind sofort los in die Stadt.

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Die Hauptattraktion in Yangon ist die Shwedagon-Paya Pagode, für die haben wir uns am ersten Tag aber noch nicht fit genug gefühlt, sondern sind erstmal so durch die Straßen gestromert. Ich hatte Mühe, die ganzen Eindrücke und Umgebungen aufzunehmen. Nachdem Thailand so bekannt und berechenbar war, kamen die ersten Eindrücke hier wie mit der Faust ins Gesicht. Die Gesichtszüge der Menschen anders, eine Mischung aus indisch und asiatisch, neugierige aber scheue Blicke. Mehr denn je fühlt man sich wie ein Fremdkörper, ein Eindringling. Angesprochen oder „belästigt“ von Verkäufern wird man fast nie, man fällt auf aber wird nicht außerordentlich drauf hingewiesen. Eher aus der Ferne argwöhnisch aber freundlich betrachtet.

 

Die Männer tragen fast ausschließlich Longhis – eine Art Wickelrock – und sehen damit seltsam elegant aus. Alle kauen Beetlenut, eine Art natürlicher Kautabak. Das Kauen der in Blätter eingewickelten Nüsse führt dazu, dass der so überschüssig produzierte rote Speichel überall – und ich meine überall – hingespuckt wird. Die Gehwege sind übersät von roten-rostigen Flecken und nicht selten muss man der Spucke ausweichen. Diese Nuss erklärt auch die oft schwarzen Zähne der Burmesen. Die meisten Frauen haben goldene Farbe im Gesicht, vor allen auf den Wangen. Diese Paste gilt hier als schön und soll vor der Sonneneinstrahlung schützen. Longhis, Beetlenut und goldene Paste sollten uns ab nun begleiten.

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Uns war schnell klar, dass dieses Land ganz anders sein wird, als alles was wir bisher von Südostasien gesehen habe. Angefangen damit, dass man oft stundenlang keine anderen Backpacker sieht. Es gibt nicht ein typisches Tour-Viertel, wo man Elefantenhosen und Smoothies kaufen kann. Supermärkte oder Fast-Food Ketten sucht man vergeblich. Stattdessen gibt es nur Straßenhändler, die Getränke und einzelne Zigaretten verkaufen. Ein Restaurant mit englischer Karte  zu finden, war schon fast eine nachmittag-füllende Aufgabe. Außerdem wird man immer wieder dran erinnert, das die Weltpolitik der letzten 80 Jahre hier nur bedingt angekommen ist. Besonders deutlich wurde das, als uns T-Shirts mit Hakenkreuzen und anderen martialischen Symbolen angeboten wurden.IMG_1640

Müde von den Eindrücken und der Nachtbus-Nacht sind wir nach dem Essen nur noch in die extrem weichen Hostelbetten gesunken. Der Vorteil daran, dass Myanmar touristisch und grade für Backpacker bisher wenig erschlossen ist, hat zur Folge, dass viele Hostels noch brandneu und nicht abgewohnt sind.

Am nächsten Tag sind wir zur Shwedagon Pagoda gelaufen. In der Nacht hatte es regnet und somit war die Luft noch angenehm. Beim Eingang mussten die Ausländer sich in eine Liste eintragen, wir waren heute die Nummer 10. Luc hat einen Longi anbekommen und ich musste meine Elefantenhose anziehen und natürlich läuft man barfuß. Die goldene Hauptpagoda befindet sich in der Mitte und drum herum sind unzählig viele kleine Stupas und Pagoden scheinbar ohne Ordnung verteilt. Wir hätten uns vielleicht vorab besser informieren sollen über den historischen und religiösen Hintergrund der Anlage und einzelnen Tempel. Stattdessen sind wir tief beeindruckt von dem ganzen Prunk um die Hauptpagoda geschlichen und haben interessiert beobachtet, wie die Einheimischen beten, Opfergaben bringen oder Kerzen anzünden. Wenn wir es richtig verstanden haben, sucht man sich hier je nach dem an welchem Wochentag man geboren wurde, sein Glückstier aus und bringt vor allem dort seine Opfergaben hin. Wir sind beide an einem Freitag geboren und standen somit vor dem Meerschweinchen. Aha.

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Verglichen zu den vollgemüllten und dreckigen Straßen außerhalb der Anlage, wirken die Tempel wie Disneyland. Alles bunt, sauber, golden und prunkvoll. Wir haben bestimmt sehr deplatziert dort gewirkt und wurden permanent angestarrt. Immer wieder zieht eine Gruppe Menschen im Pulk und im Uhrzeigersinn um die Hauptpagoda rum – mit Schirmchen, Blumen und anderen Opfergaben. Spannender als die Opfergaben waren wohl aber die zwei Europäer mit großen Kameras.

Den Nachmittag haben wir mit einem Fußmarsch zu den übrigen „sehenswerten“ Attraktionen in Yangon verbracht; ein Park, für den man auch Eintritt zahlen muss. Dieser befindet sich aber eigentlich noch im Bau, man läuft zwischen Trümmern und Trampelpfaden herum. Ein „Einkaufszentrum“ – eher vergleichbar mit einem Karstadt, immerhin konnte ich hier endlich mal Shampoo kaufen. Und dem Bogyoke Aung San Market, vergleichbar mit einem überdachten Nachtmarkt auf dem es tausend Dinge gibt, die kein Mensch braucht. Zudem wird man ständig um Geld angebettelt und sehr aufdringlich mit Gemälden, Postkarten oder Holzschnitzereien belästigt. Wir haben uns dort jeweils einen Longhi gekauft (when in Rome…) und sind dort schnell wieder abgehauen.

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An diesem Abend haben wir in einem burmesischen KFC gegessen und waren unendlich erleichtert über eine Klimaanlage und mal kurz das Gefühl zu haben nicht total fremd zu sein. Nach Koh Tao hatte ich ein bisschen Sorge meinen Abenteuerlust verloren zu haben. Aber die zwei Tage in Yangon haben mir das Gegenteil bewiesen. Mehr denn je war ich hungrig nach Abenteuer, Fragezeichen, fremd fühlen und verlaufen. Darauf Dinge zu sehen, die man nicht versteht, zu hinterfragen und zu lernen.

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Wir hatten uns für Myanmar nur ca. 2 Wochen Zeit gegeben und sind somit am Abend noch mit dem Nachtbus nach Bagan gefahren. Während die Taxifahrt zum Busbahnhof mal wieder katastrophal war (wir waren fünf Backpacker mit Gepäck und ein Fahrer in einem winzigen Fünf-Sitzer ohne Kofferraum für ca. 2 Stunden ohne Lüftung und Klimaanlage), war die Busfahrt überraschenderweise eine der komfortabelsten auf der ganzen Reise, mit Stewardess, kostenlosen Tee und Snacks, Steckdosen.

Vielleicht ein guter Hinweis, darauf dass Myanmar einfach ein Land der Gegensätze ist –  zwischen Mittelalter und Moderne.

März 2015.

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