Bagan, Myanmar. E-Bikes, Peanutbuttertoast und mystische Sonnenaufgänge.

Unser Luxusbus hat uns um 6:00 Uhr morgens am Busbahnhof vor Bagan ausgespuckt. Wir waren noch reichlich verschlafen, als uns die übliche Taxifahrer-Traube lautstark beim Aussteigen begrüßt. Kaum auf der Bustreppe, man zieht sich grade noch die Schuhe an, wird man schon von den Taxi-Geiern belagert. Man versucht seinen Rucksack zu schultern, dieser wird einem aber mit unverständlichem Gebrabbel abgenommen und zu einem Auto getragen ohne, das man überhaupt eingewilligt hat mit dem jeweiligen Rucksackträger mitzufahren.

Wir haben uns das Taxi mit einer Österreicherin und einer Amerikanerin geteilt und uns nach New Bagan fahren lassen. Später hat sich herausgestellt, dass die günstigeren Unterkünfte in einem anderen Ort gewesen wären. Wir haben in dann alle gemeinsam das „Ostello Bello“ – irgendwie kurioserweise unter italienischer Leitung -eingecheckt und den teuersten Dorm der Reise bezogen (20$ für ein Stockbett) aber dafür entsprechend modern, stilvoll und vor allem mit schnellem Wlan.

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Da man als Tourist in Myanmar keine motorisierten Gefährte mieten kann (= Roller, Motorrad, geschweige denn Autos), blieb uns nur die Wahl zwischen Fahrrädern und E-Bikes. Fahrräder haben wir schnell ausgeschlossen, da keiner von uns Lust hatte bei gefühlten 40°C über wüstenähnliche Landschaften zu strampeln und somit haben wir uns für die Elektro-Roller entschlossen. Auf diesen Rollern fühlt man sich aber eher wie ein übergewichtiger Amerikaner im Wal-Mart und man hat absolut keine Chance nicht als Tourist erkennbar zu sein. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von maximal 30km/h kommt auch kein Easy Rider Gefühl auf. Wir haben es versucht mit Humor zu nehmen und mussten feststellen, dass die Teile definitiv die beste Wahl waren um das Gelände zu erkunden.

Zwei Tipps am Rande:

    1. keine Sorge, falls die Batterie ausfällt. Man kann jederzeit beim Verleih anrufen und es rückt jemand mit einer neuen Batterie aus.
    2. Bevor man jedoch beim Verleih anrufen lässt, da man nicht über eine burmesische Sim-Karte verfügt kann dies nur eine einheimischen Familie machen, die am Straßenrand eine Mini-Tankstelle betreibt. Tja, bevor man dies macht, sollte man sich vergewissern, dass nicht eventuell nur der Stecker rausgefallen ist, weil man der Meinung war man müsste mit dem Elektrorollern querfeldein über sehr holprigen Stoppelfelder fahren.

Wie in unserem Fall geschehen, wir waren extrem peinlich berührt, dass wir die Hilfsbereitschaft der Familie, in der niemand englisch sprach und wir uns nur mit Händen und Füßen verständigen konnte, völlig umsonst in Anspruch genommen hatten. Dass uns die Familie, in dessen Outdoor Wohnzimmer wir wie zwei Aliens saßen, auch noch während der Wartezeit auch noch mit Tee und Kekse versorgt haben, war uns umso unangenehmer. Die verdutzten Gesichter, als der freundliche Herr vom Verleih einfach nur den Stecker rein gesteckt hat, hätten uns am liebsten im Boden versinken lassen.

Während die Tempelanlagen bei Angor Wat in Kambodscha schon beeindruckend und scheinbar unendlich erschienen, ist Bagan hinsichtlich Fläche und Ausmaß noch mal eine andere Erfahrung. Ca. 3.000 Tempel verschiedenster Größen verteilen sich auf eine Fläche von ca. 36 Kilometer Steppenlandschaft. Von Mini-Stupas, die so klein sind dass man diese nicht betreten kann bis hin zu riesigen Tempeln, die man besteigen kann findet man alles auf dem Gelände.

Der größte Unterschied zu Angkor Wat ist, dass man hier die meiste Zeit alleine unterwegs ist. Zum einen natürlich, weil Myanmar erst seit wenigen Jahren für Touristen geöffnet ist und zum anderen hatten wir Glück, dass in Myanmar der Sommer in den Startlöchern stand und grade die organisierten Pauschal-Busreisen diese extrem heiße Zeit meiden. So fährt man zwischen den einzelnen Tempeln auf den frisch asphaltierten Straßen alleine herum. wird dann und wann von den Locals auf richtigen Rollern überholt. Nur an den großen Tempeln sind neben den gläubigen Pilgern auch mal kleine Händler oder Einheimische, die sich als Tourguide anbieten. An den meisten anderen Tempeln klettert man alleine rum, stolpert über unebene Stufen und rätselt über die seltsame burmesische Schrift.

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Am ersten Tag haben wir uns hauptsächlich auf die bekanntesten Tempel konzentriert: That-byin-nyu-Tempel, Ananda-Tempel, Htilominlo-Tempel. Die Tempel sind längst nicht so prunkvoll geschmückt und gestaltet, wie die Shwedagon Pagoda in Yangon. Meist sind es einfache Lehm oder Ziegelsteingebäude in denen überall verschieden große Buddahs verteilt sind. Die schmucklose und meist verwitterten Wände sind entweder gar nicht verziert oder nur mit Schriftzeichen versehen. An fast jedem größeren Tempel finden Renovierungsarbeiten statt, bei denen jeder europäischer Gerüstbauer wahrscheinlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würde. Die Handwerker klettern im Longhi barfuß auf Bambusgestellen herum ohne das man tatsächliche Ergebnisse der Renovierung erkennen kann.

An den ersten zwei Tempeln waren immer recht viel los; vereinzelt Bus-Touristen aber vermehrt Einheimische, die nach dem beten auf überfüllten TukTuks zu burmesischer Vengaboyz Sounds davon gesaust sind. Beim letzten Tempel waren wir plötzlich ganz alleine, ohne Absperrungen oder Guides kann man auf den uralten Ziegeln herum spazieren und vor allem ungestört den Ausblick genießen. Während wir in absoluter Stille auf den Mauern saßen und versucht haben, am Horizont den letzten Tempel auszumachen, waren wir alle tief beeindruckt. Die besondere Landschaft, der mystische Zweck dieses Steppe und das Bewusstsein, dass dieser Moment einzigartig ist. In 10 Jahren quetscht man sich hier vermutlich zwischen Selfiesticks und Kokosnusshändlern durch. Ich hätte da noch ewig sitzen können.

Nachmittags haben die Mädels und ich zurück in unserem kleinen Ort vergeblich Schokolade gesucht und nur Mentos gefunden. Außer Cola gibt hier wirklich keine westlichen Produkte. Wie vermessen auch von uns, zu erwarten, dass es hier doch wie in anderen Ländern, zumindest Oreos oder Magnum-Eis geben muss. Schokoladenhungrig ist unsere „Reisegruppe Elektroroller“ zum Sonnenuntergang noch mal los und auf einen anderen Tempel mit Sicht auf den Fluss geklettert.

Der obligatorische Sonnenaufgang inklusive Heißluftballons am nächsten Morgen war zwar sehr beeindruckend, aber wie das meistens mit Erwartungen ist, kommt es doch anders als man denkt. Mit frisch geladenen E-Rollern sind wir im Dunkeln am Hostel gestartet, zum empfohlenen Tempel gefahren und mit den zwei Busladungen Pauschal-Touristen die Treppen zum Tempel hoch geklettert. Froh, dass wir früh genug da waren um einen Sitzplatz zu ergattern mit bester Sicht auf den Ballon Start und mit den restlichen Touristen im Rücken.

Und dann gehts los: Die Sonne geht langsam auf, versteckt sich aber hinter dicken Wolken. Die Ballons fangen an zu steigen, sind aber nicht farbenfroh – sondern alle im gleichen Werbeaufdruck. Das Pärchen neben dir bekommt nicht genug von den Selfies und schubst dich dabei fast von der Tempelkante. Dein Magen knurrt, weil du natürlich kein Frühstück hattest und auch vergessen hast, dir zumindest eine Flasche Wasser mitzunehmen. Die Ballons steigen komisch auf und auf dem Foto sieht man, dass der Sonnenaufgang nicht so malerisch ist, wie erhofft. Anstelle von mystischer Stille, schnattern alle um dich herum um dieser magische Sonnenaufgang-Ballons-Tempel Moment fühlt sich eher nach Berlin Hauptbahnhof am frühen Morgen an.

Vielleicht hat man zu viel erwartet, vielleicht klang das im Reiseführer alles zu schön, vielleicht ist man auch schon zu verwöhnt, vielleicht war das Gefühl auf dem Tempel gestern auch schon genug. Vielleicht muss man sich aber auch einfach mehr Zeit geben.

Als alle Ballons in der Luft sind, die Sonne so gut wie aufgegangen, leert sich der Tempel. Die Pauschaltouristen düsen los zum nächsten Programmpunkt. Und plötzlich ist man fast alleine dort. Und während man sich doch noch mal an die kalte Tempelwand lehnt und beobachtet, dass fast so aussieht als würden die Ballons in die Pagoden reinfliegen und man die Kamera schon weggepackt hat, wird einem die überwältigende Magie und fremde Schönheit dieses Ortes doch noch mal bewusst. Etwas beseelt und verträumt sind die Mädels und ich dann zum dritten Mal an zwei anderen Backpackern und ihrem mitgebrachten Peanutbuttertoast vorbegeschlichen. Möglicherweise stand uns der Neid auf das Essen ins Gesicht geschrieben, die zwei haben uns dann nämlich endlich einladen mit ihnen die Reste zu vernichten. So saßen wir noch eine Weile mit dem Engländer und dem Australier dort und haben erzählt, gegessen und gelacht.

Vermutlich war dies mein Lieblingsmoment des Morgens, unerwartet, ungeplant und nicht das planmäßige Highlight des Tages aber dafür der Inbegriff des Reisens: Die Außergewöhnlichkeit eines Ortes mit dem Selbstverständlichstem der Welt zu vermischen und sich angekommen und in diesem Moment einfach präsent zu fühlen. Dies war wohl der finale Grund, warum mich Bagan extrem beeindruckt hat. Natürlich ist es eine Touristenattraktion und etwas, was bei Vielen auf der Reise Bucket-List steht. Somit kann dies kein einsamer Sehnsuchtsort sein, wo man ungestört umherstromern kann. Man muss sich seine kleine Touriflucht suchen und diese dann ganz bewusst genießen. Und sich auch eingestehen, dass dies vielleicht nicht um 6:30 Uhr ist, wenn der erste Sonnenstrahl und der erste Ballon am Horizont erscheinen und die Kameraauslöser losklickern. Sondern vielleicht erst um 9:00 Uhr, wenn die Kamera verstaut ist und man sich bewusst macht, dass man grade am anderen Ende der Welt, auf einem uralten Tempel mit interessanten Menschen, die man vermutlich nicht mehr wiedersehen wird, sitzt und in ein geschenktes Peanutbutter-Sandwich beißt.

Den restlichen Vormittag haben wir damit verbracht auf unbefestigten Pfaden kleinen Tempel abzufahren und mussten feststellen, dass grade an den etwas verwitterten Ecken, die nicht im Reiseführer große Müllberge und die Reste von Müllfeuern herumliegen. Nachmittags fuhr unser Minivan nach Mandalay.

März 2015.

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