Mandalay, Myanmar. Schockmomente, Großstadt und Sprachbarrieren.

Ein Minibus hat uns raus aus dem rot-staubigen Bagan in Richtung der Großstadt Mandalay geschaukelt. Unterwegs haben wir immer wieder angehalten um neue Fahrgäste einzusammeln. Als wir dachten es passt wirklich niemand mehr in den Bus, wurden im Gang die Klappsitze ausgeklappt und Bewegungen war ab jetzt nicht mehr möglich.

Luc kam in den Genuss neben einem Mönch zu sitzen, der nachdem er seine anfängliche Reiseübelkeit überwunden hatte, sehr redefreudig war und mit seinem rudimentären Englisch immer wieder Textbuch Fragen gestellt hat. („Wo kommst du her? Hast du Geschwister? Was arbeitest du?“). Grade die Mönche, die überhaupt einen sicheren Zugang zu Bildung haben ohne touristische Interessen zu verfolgen, sind sehr erpicht darauf mit Ausländern zu sprechen. Im Laufe unserer zwei Wochen in Myanmar wurden wir immer wieder sehr direkt angesprochen um  einfache Frage-Antwort Spielchen auf Englisch zu machen. Wir hatten zunächst die Illusion mit den Einheimischen wirklich in den Dialog zu kommen und mehr über das Leben hier zu erfahren. Leider reichen aber die Sprachkenntnisse und weltpolitische Bildung nicht dafür aus.

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In Mandalay gibt es kaum günstige Unterkünfte und somit hatten wir vorab schon ein Hotel gebucht, der Bus hat zunächst alle anderen rausgelassen, bis er bei unserem Hotel mitten in der Nacht vorgefahren ist. Wir wollten einchecken und nach dem langen Tag mit Sonnenaufgang, Bagan-Steppen-Exkursion inklusive „Stromausfall“ und unbequemer Busfahrt einfach nur unter die Dusche und ins Bett. Das sollte sich aber noch verzögern. Beim einchecken ist Luc aufgefallen, dass seine Mappe mit Reisepass, Kreditkarte und anderen wichtigen Dokumenten spurlos verschwunden war.

Reichlich schockiert und verzweifelt haben wir in der Hotellobby alle Taschen ausgepackt und durchwühlt. Der Hotelbesitzer hat derweil versucht das Busunternehmen zu erreichen und ausfindig zu machen, in welchem Bus wir waren und ob die Mappe womöglich einfach nur im Bus liegen geblieben ist. Da es mitten in der Nacht war, war der Busunternehmer schon lange zuhause im Feierabend. Der Portier hat sich hartnäckig gezeigt und nicht aufgehört für uns rumzutelefonieren und schlussendlich den Busfahrer aus dem Bett zu klingeln. Uns sollte meine Foto-Sucht zu gute kommen, ich hatte unwissend bei einer Pause ein Foto vom Bus gemacht auf dem das Kennzeichen zu sehen war.

Luc hat sich schon tagelang in der Botschaft sitzen sehen, sein Bruder und er wollten kurz darauf nach Australien fliegen um dann von da aus nach Amerika weiter zu reisen. Alles in zeitlich sehr engem Rahmen. Sollte das jetzt alles nicht mehr klappen? Ich hab mich schon angefangen darauf einzustellen, die restliche Zeit alleine reisen zu müssen.

Eine Stunde später war der Busfahrer und der Bus ausfindig gemacht. Der Portier kam mit verkniffenen Gesicht auf uns zu um uns mitzuteilen, dass eine Mappe im Bus gefunden wurde und ein Bekannter vom Busfahrer diese Mappe nun mit einem Taxi vorbei bringen könnte. Dies würde allerdings eine Menge Geld kosten, ob wir bereit wäre das zu zahlen. Wir waren auf das schlimmste gefasst, zumal wir ja noch nicht sicher wussten ob in dieser Mappe wirklich alle Dokumente von Luc waren (Stichwort: Sprachbarrieren). Das Taxi sollte umgerechnet 30$ kosten, uns wurde wieder mal bewusst wie materiell reich wir wohl in dieser Welt sind.

Eine weitere Stunde später, in der wir burmesisches Propaganda Fernsehen mit lächerlich martialischen Militärauftritten angeschaut haben und irgendwo zwischen Hoffen und Bangen um die Dokumente waren, hielt um Mitternacht ein Taxi vorm Hotel. In der Mappe war alles drin. Pass, Kreditkarte und Bargeld. Die burmesische Freundlichkeit und Engagement hat uns schwer beeindruckt und sehr, sehr erleichtert.

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Wie auch in Yangon gibt es in Mandalay kein „Nachtleben“ oder Barstraße. Die einzige Chance auf Essen um Mitternacht bot eine Straßenküche, am Straßenrand. Bedient haben uns Kinder, Besitzer war ein riesiger, bärtiger Inder, immer wieder kamen Bettler an den Tisch. Wir waren die einzigen Ausländer, eine Karte gab es nicht – nur die Frage ob wir was essen wollen. Dem folgten unzählige Schüsselchen mit Kokosreis, Gemüse und Fleisch. Oh und eine Suppe mit Hühnerfüßen. Ein irgendwie surreales, aber doch sehr reales Abendessen.

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Am nächsten Tag sind wir zu Fuß zum Mandalay Palace gelaufen. Und wir wurden wieder mal dran erinnert, dass man als Ausländer in Myanmar ständig erschwerte Bedingungen hat. Beim Palast war es zum Beispiel der Fall, dass man das Gelände nur durch einen Eingang betreten darf (natürlich erst nach dem man am „Crashpoint“ Geld bezahlt hat). Wir waren am falschen Eingang und auf Grund des quadratischen Grundrisses hätten wir erst 4 Kilometer um den Palast herum laufen müssen um zum richtigen Eingang zu kommen. Wir haben uns für das Motortaxi entschieden. In Myanmar schickt es sich nicht für eine Frau breitbeinig hinten drauf zu sitzen, also musste ich zum ersten Mal im Damensitz als Sozius hinten Platz nehmen. Ob die zwei Herren, die uns da einmal um den Palast gefahren haben, wirklich Taxifahrer waren oder einfach Familienväter, die ihre Chance auf einen kleinen Bonus genutzt haben? Wen interessiert es.

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Der Palast war der Wohnsitz der letzten Monarchen Myanmars. In der Mitte der quadratischen Anlage befinden sich der Palast und die Tempelgebäude, drum herum vermutlich Wohnungen der normalen Bürger. Zur Mitte führt eine gefühlt ewig lange Straße, die man nicht verlassen darf und auf der man keine Fotos machen darf. Die schwer bewaffneten Soldaten am Eingang lassen da auch keinen Raum für Spekulationen.

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Die Palastanlage selber ist wunderschön, gilt als Touristenattraktion, war aber wie leer gefegt. Die Hauptattraktion waren an dem Tag wir. Luc und ich wurden ja auch die letzten Tage oft angestarrt, aber an diesem Tag waren wir von den Reaktion extrem überwältigt. Grade die älteren Damen sind oft wie vom Donner gerührt stehen geblieben, als sie uns gesehen haben. Für die sahen wir Zwei wohl wirklich aus, wie aus einer anderen Welt. Wir haben die Erwachsenen fast alle um einen Kopf überragt, ich hatte aufgrund der Hitze meistens meine blonden Locken und Luc mit blonden Haaren und rotem Bart. Manche haben ihre Scheu überwunden und uns um Fotos gebeten. Dass dies keine lang erprobten Selfiestick-Asiaten sind, sieht man in den Fotos. Meist sind es Aufnahmen wie von Statuen, alle stehen steif nebeneinander und gucken ausdruckslos in die Kamera.

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Außer dem schönen Gebäuden, einem kleinem Museum und einem Aussichtsturm gibt es dort aber nicht viel zu sehen. Erklärungstafeln fehlen entweder oder sind nicht auf englisch. Nachmittags sind wir zum Shwenandaw Kyang Kloster, ein altes Kloster komplett aus Teakholz, gelaufen und für den Abend und Sonnenuntergang hatten wir uns die berühmte U-Bein Brücke vorgenommen.

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Auch hier hin war die bequemste Transportmöglichkeit das Motortaxi. Unsere beiden Fahrer sind in einem Affenzahn durch die Straßen gesaust, mitten durch einen Markt und ohne Rücksicht auf Straßenverkehrsordnungen. Von den anderen Verkehrsteilnehmern gab es wieder eine Menge interessierte Blicke, wieder im Damensitz habe ich mich aber halbwegs elegant, sicher und wohl gefühlt. Beinahe wie eine Prinzessin.

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Der Weg führte auch durch ein Straßenfest mit Riesenrad und vielen kleinen Ständen, die Ramsch und Essen verkaufen. Hier wäre es schon zu Fuß schwierig durch zukommen, unsere Fahrer haben sich trotzdem voran gehupt und geschlängelt bis wir endlich bei der berühmten Brücke angekommen sind. Einen perfekten Foto-Sonnenunterngang gab es leider nicht zu sehen, dafür war es zu diesig. Wir sind die Brücke einmal bis zur Mitte gelaufen, mussten wieder für Fotos posieren und Luc durfte wieder den Mönchen Rede und Antwort stehen. Wir waren ein wenig enttäuscht von der Location, klar die Brücke ist beeindruckend lang aber es ist überall sehr dreckig und vollgemüllt.

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Die zwei Rollerfahren haben auf uns gewartet und wollte uns dann wieder halsbrecherisch zurück bringen. Nach ein paar Meter ist mein Roller allerdings abgesoffen, Luc und Fahrer waren bereits über alle Berge. Ich war zunächst entspannt, dachte es fehlt einfach nur Benzin und wir sollten gleich schon voran kommen. Schließlich hab es genug Stände und das Volksfest war im vollem Gange, irgendjemand sollte den Roller schon zum Laufen bringen.

Die Sprachbarriere zu meinem Fahrer war allerdings unüberwindbar und ich merkte, wie auch er langsam nervös wurde, was sich dann auch auf mich übertragen hatte. Ich hatte nicht unbedingt Angst alleine zu sein, sondern eher wie ich jetzt mit Händen und Füßen mich verständigen sollte, wo ich hin möchte. Immerhin waren wir auch vom Hotel über eine halbe Stunde hier hin gefahren, außerdem hatte ich auch keine Möglichkeit Luc zu kontaktieren…

Der Fahrer wurde immer hektischer, rannte von Stand zu Stand, quatsche hier mit jemanden und fuchtelte mit den Händen rum. Immer wieder wurschtelte jemand am Roller rum – ohne Erfolg. Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass der Mann mich quasi weitergeben wollte an jemanden mit funktionierendem Roller. Auch wenn das hier im alleine im Dunkeln und abseits des aufgeheiztem Volksfestes vielleicht nicht die sicherste Umgebung war, hab ich eigentlich nie gezweifelt, dass mir hier jemand was böses wollte, eher dass alle bemüht waren mich zu meiner Bestimmung zu bringen.

Wie aus dem Nichts sprang der Roller plötzlich an, wir sind schnell drauf gesprungen und es sollte bis zum Hotel ausreichend. Unterwegs haben wir dann wieder auf Luc und seinen Fahrer auch eingesammelt, die haben auch tatsächlich auf uns gewartet. Unser letzter Abend in Mandalay endet dann damit, dass wir uns ein Taxi für den Weg nach Hispaw gebucht haben und in dem einzigen „richtigen“ Restaurant an unsere Straße gegessen haben. Hier waren noch 4 andere Touristen, man könnte also sagen ein richtiger Touri Hotspot.

Road to Mandalay – das klingt exotisch, ästhetisch und mystisch. Die Stadt selber fühlt sich aber nicht so an, eher wie eine unaufgeregtere Variante von Yangon, sie funktioniert, sie ist geschäftig, fühlt sich real an aber sie ist nicht schön. Gleichzeitig fühlt sie sich nicht so geregelt, kontrolliert an. Allein die Tatsache, dass hier Roller erlaubt sind macht ein anderes, wuseligeres Stadtbild. Unser Hotel hatte einen kleinen Balkon, von dem man auf eine geschäftige Kreuzung blicken konnte. Unablässig tuckerten die dreirädrigeren Fahrräder, rasten die Roller, schnauften die beladenen Pick-ups und sausten die Autos vorbei. Zwischendrin Fußgänger, Kinder, Alte, Geschäftsleute, Bauern, Handwerker. Am Straßenrand immer wieder ein Schwätzchen, ein Verkaufsgespräch, Motorrad Reparaturen und ab und zu Touristen. Eine echte Großstadt eben – ohne Glamour.

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März 2015.

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