Der Bus ließ uns am Markt in Santa Marta raus, glücklicherweise war Samstag und somit nicht allzu viel los. Diese Gegend der Stadt kam uns eher nicht so sicher vor und wir bemühten uns schnell wieder auf die Hauptstraße zu kommen. Bevor wir wieder mit dem öffentlichen Bus nach Taganga fahren würden, gingen wir nochmal in unser Lieblingscafe und zumindest für Andi gab es ein ausgiebiges Frühstück. Ich wollte meinen nervösen Magen noch nicht auf die Probe stellen.
Am frühen Nachmittag nahmen wir dann wieder den Bus; das heranwinken, bezahlen beim Ticketverkäufer und Endstation staubiger Kirchplatz in Taganga kannten wir ja nun bereits. Im Hostel rief uns die Besitzerin ein Taxi, den Fahrer begrüßte sie überschwänglich und somit fühlten wir uns recht sicher bei ihm im Auto. Das klapperige Taxi arbeitete sich über den Berg zurück nach Santa Marta und durch den – uns inzwischen gut bekannten Kreisverkehr und Dreh- und Angelpunkt der Stadt – dann ins Hinterland.
Als wir die Stadt hinter uns ließen, gab es einen für uns merkwürdigen Moment; der Taxifahrer fuhr an eine Tankstelle, stieg aus, besprach sich mit dem Tankwart, riss dann die Türen auf und bat uns hektisch auszusteigen. Wir schauten uns irritiert an und taten wie uns befohlen. Ich schnappte mir noch meinen Handgepäck Rucksack und für einen kurzen Moment, dachte wir, wir würden nun in unserer zweiten Woche direkt ausgeraubt und mittellos an einer Tankstelle zurück gelassen werden.
Anscheinend war dies aber die einzige Möglichkeit das nicht mehr TÜV geprüfte Auto zu betanken. Wir tuckerten also weiter in das Küstengebirge der Sierra Nevada – anscheinend das höchste Küstengebirge der Welt. Als wir dem Taxifahrer erzählen in welches Hostel wir wollen, lacht er kurz und sagt, da kann er uns mit seinem Auto nicht hinfahren, da bräuchte man einen Allrad-Antrieb. Wir blieben skeptisch und glauben es liegt einfach an seiner Klapperkiste.
Der alte Mann lässt uns im „Zentrum“ vom dörflichen Minca raus und wir werden direkt von Motorradtaxi Fahrern belagert, die uns die Weiterfahrt verkaufen wollen. Wir sind weiterhin ungläubig, dass die Anreise wirklich ein Crossmotorrad oder Jeep benötigt. Entnervt laufen wir die Straße entlang, vergleichen Preise und müssen letztendlich feststellen, dass die Motorradtaxen die günstigste Option sind um zum Hostel zu kommen. Drei halbwüchsige Jungs fahren ihre Motorräder vor, auf das erste kommen unsere Rucksäcke, und auf die anderen zwei jeweils wir – natürlich ohne Helm.
Wir hatten uns für Minca entschieden, weil wir auf Instagram Fotos von einem Hostel mit einer beeindruckende Hängematte gesehen hatten. Von der ca. 5x5m großen Liegefläche sollte man eine atemberaubenden Blick über die dichtbewachsenen Berge der Sierra Nevada bis hin zur Küste haben. Der Hostelname war schnell ausfindig gemacht, die Buchung auch – nur über die Anreise hatten wir uns in der Euphorie nicht informiert.
Es war inzwischen 16:30 Uhr nachmittags, wir waren seit 6:00 wach. Ich hatte noch die halbe Nacht auf den dreckigen Campingplatz Toiletten verbracht, wir waren bereits 3 Stunden durch den Nationalpark gestampft, wir waren insgesamt 3 Stunden mit örtlichen Bussen und Taxen gefahren und ich hatte seit gestern Nachmittag keine feste Nahrung mehr zu mir genommen. Ich wollte wirklich einfach nur ankommen.
Unsere Fahrer hatten keine Zeit zu verlieren, fuhren um die erste Kurve und schon waren wir auf einer Schotterpiste, die steil bergauf ging. Konnten wir uns vorher die Ausmaße des Weges in die Berge nicht ausmalen, bekamen wir nun ein Gefühl dafür. Die Jungs machen sich wohl einen Spaß daraus die verschrecken Touristen in einem Affenzahn den Berg hochzufahren. Die Straße bestand nur aus Matsch, Geröll und Pfützen. Es hatten vor kurzem noch geregnet und so spritzte der Lehm an meinen Beinen hoch. Vorne weg fuhren unsere Rucksäcke, ich beobachtete wie das Motorrad ständig rutschte und sah uns schon den steilen Abhang am Rande der Schotterpiste abstürzen. Andi konnte dem Ganzen mehr abgewinnen als ich; seine Lieblingserinnerung an diese halbe Stunde Todesangst war, wie ich mich zu ihm umdrehe, alle Adern an meinem Hals verkrampft sind, mein Gesicht ansonsten versteinert ist und in meinen Augen der blanke Horror.
Fairerweise muss man sagen, dass ich der Fahrt vielleicht auch ähnlich abenteuerlustig begegnet wäre, wenn es mir an dem Tag nicht so mies gegangen wäre. Andi verging nur kurz die Laune, als die Kette seines Motorrades absprang und notdürftig in mitten der Piste wieder drauf gezogen wurde. Nach 30 endlosen Minuten kamen wir am Hostel an, die Fahrer schauten sich verschmitzt an und ich war einfach nur froh überlebt zu haben.
Die Aussicht im Hostel entschädigte augenblicklich für die Anreise, die ich dann auch schon wieder mit Humor nehmen konnte. Während die Schlafsäle im Hostel wirklich nichts besonderes waren, bietet das Hostel auch ein Baumhaus für zwei Personen und drei kleine Cabanas mit ungestörtem Blick in die Natur an. Aus Budgetgründen gab es für uns nur einen dunklen Schlafsaal, aber von dem besonderen Sanitäranlagen profitieren alle. Sowohl die Toiletten als auch die Duschen sind zu einer Seite offen und man kann bei all seinen Erledigungen die Aussieht genießen.
Die beschriebene Hängematte ist wirklich atemberaubend. Wir verbrachten den Abend damit in dem Netz zu lümmeln, den Sonnenuntergang zu beobachten und mit Anderen ins Gespräch zu kommen. Da das Hostel so abseits liegt und kein Supermarkt geschweige denn Restaurant in der Nähe ist, wird dort ein gemeinsames Abendessen angeboten bei dem wir ein paar Leute aus Taganga wieder trafen.

Am nächsten Morgen schlichen wir zum Sonnenaufgang aus dem Schlafsaal und hatten die Hängematte und den unvergleichlichen Blick für uns ganz alleine. Die Sonne kroch langsam über die grünen Berge, die Wolken, die im Tal lagen zogen sich zurück und gaben dann den Blick auf Santa Marta und den Strand frei. Wirklich wunderschön.
Das Dörfchen und die umliegenden Hostels haben sich fast alle dem Bio- und Ökotourismus verschrieben, es wird überall Yoga und Meditation angeboten, außerdem gibt es zahlreiche Möglichkeiten zum wandern, Vogelbeobachtung und Wasserfälle. Wir hatten das Potential der Region unterschätzt und nur eine Nacht eingeplant. Um dafür das Beste aus dem Hostel zu machen, verbrachten wir den Tag hier, holten Tagebucheinträge nach, beobachteten die Tagesausflügler beim Fotos auf der Hängematten machen und ließen einfach nur vom Sofa aus den Blick in den Dschungel schweifen. Nebenbei räumte das Personal die Bar von der Nacht auf, Bob Marley lief und wir stellten fest wie glücklich wir uns schätzen können, solche Orte gemeinsam zu entdecken.
Um 14:00 Uhr teilten wir uns für die Abreise einen Jeep mit zwei deutschen Mädels und einem Holländer. Dieses Mal wussten wir zumindest was auf uns zukommt, die Fahrt war wieder abenteuerlich, aber auf auf der Ladefläche des Jeeps fühlte ich mich dem Unheil zumindest nicht so nah. Von Minca sollte es für uns weiter hoch an der Karibikküste nach Palomino gehen.





